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Akzeptanz als Säule der Resilienz. Oder: Es gibt keine Bedienungsanleitung für dein Leben

Aber es gibt gewisse Dinge, die man sich bewusst machen kann, um selbstsicherer zu werden und das eigene Urvertrauen zu stärken.

Akzeptiere das Leben so, wie es kommt.

Als Patrick starb, war ich gerade volljährig geworden. Wir hatten uns einige Jahre zuvor auf einer Veranstaltung von Schülervertreter*innen aus Unterfranken kennen gelernt. Ein Haufen unbeschwerter Schüler*innen waren wir, die sich ehrenamtlich engagierten und mit sozialen und schulpoltischen Themen beschäftigten. Ich erinnere mich noch an besagten Workshop, als ich Patrick zum ersten Mal ohne Haare traf, verunstaltet mit einer großen Narbe quer über seinem Schädel. Diagnose: Bösartiger Gehirntumor. Patrick hatte gerade seine erste Chemotherapie hinter sich, nach einer erfolglosen und dennoch Hoffnung gebenden Operation. Obwohl ich ihn im ersten Moment nicht einmal mehr erkannte, wirkte er fröhlich, optimistisch, lebensfroh. Ich schlich mich in der Kaffeepause aufs Zimmer und heulte los. Ich war fix und fertig, traurig, bestürzt und zugleich so ohnmächtig, weil ich nichts tun konnte.

Patrick hatte trotz Lebenswille keine Chance.

Seine Krankheit und sein Tod kurze Zeit später rissen mich zum ersten Mal in meinem Leben aus dieser Trance, die ich naive Unbeschwertheit nenne. Danach ging es Knall auf Fall, ein Kumpel starb bei einem Autounfall, eine Mitschülerin stürzte beim Reiten, ihr eigenes Pferd erdrückte sie, sie verstarb im Helikopter. Eine andere Mitschülerin erlitt einen Schlaganfall, der sie lange Zeit außer Gefecht setzte, meine Partnerin vom Tanzkurs-Abschlussball und Schulfreundin verstarb Anfang ihres Studiums an Leukämie und ein Freund machte unbedarft einen Flachköpper in den Gardasee und tauchte mit zertrümmerten Halswirbeln wieder auf. Seitdem rollt er – querschittsgelähmt – durchs Leben. Ein Kumpel kippte vor einiger Zeit beim Angeln aus dem Boot. Man fand ihn erst Tage später im See und diagnostizierte einen Blitztod – plötzlicher Herzstillstand ohne erkennbare Ursache. Ich könnte diese Reihe leider noch eine ganze Weile fortsetzen, auch mit jungen Menschen aus meinem direkten Umfeld und tragischen oder unerwarteten Ereignissen aller Couleur. Doch es dürfte klar sein, worum es mir geht. Es ereignen sich Dinge im Leben, die kommen unerwartet und machen schlicht fassungslos und betroffen. Nicht selten höre ich dann Fragen wie „warum er/sie/ich?“ oder einfach nur „warum?“. Tja, man könnte genauso gut fragen „warum nicht?“.

Trauer oder Selbstmitleid? 

Oft sind wir bestürzt, weil wir uns wegen des Verlustes selbst bemitleiden, weil wir mit den Hinterbliebenen mitempfinden oder weil wir uns mit den Toten oder Betroffenen assoziieren. „Wie wäre das, wenn es mich stattdessen erwischt hätte und wann und wie wird mein Ende sein?“ Solche Fragen stelle ich mir in solchen Momenten und kann sie mittlerweile, ebenso wie alle möglichen Antworten, aushalten und akzeptieren. In diesen Momenten des Lebens ist es wichtig, die Gefühle zuzulassen, auszuleben und am Ende loszulassen. Nimm einfach hin, dass der Tod und auch harte Schicksalsschläge oder auch nur ungeplante Wendungen ein sicherer Bestandteil eines jeden Lebens sind. Es erfordert eine wichtige Einstellung: Akzeptanz. Hinnehmen, was ich nicht ändern kann. Idealerweise mit einem positiven Blick. Wie kann ich denn bewerten, dass ein Erlebnis ausschließlich „schlecht“ ist, ohne die zahlreichen Alternativen gelebt zu haben, um das beurteilen zu können? Was im ersten Moment wie ein Schlag ins Gesicht aussieht, kann morgen schon die beste Lektion deines Lebens gewesen sein. Weniger bewerten, das ist – wie so oft im Leben – ein wichtiges Mantra für mich. Je besser du das Ungeplante akzeptierst, umso leichter kommst du aus dem anfänglichen Tief wieder heraus. Und dann konzentriere dich auf die zahlreichen verbleibenden schönen Aspekte des Lebens, denn davon kannst du einen sehr großen Teil beeinflussen. Trauer und Wut sind wichtige Prozesse der Verarbeitung, doch es sind deine Prozesse. Der Übergang zum Selbstmitleid ist oft nahtlos, also achte darauf, dass du aus dem passiven Zustand wieder in die Aktivität zurück findest.

Und mal eine ganz andere Frage: Wäre das Leben nicht auch sehr viel öder, wenn es nicht eben jene unerwarteten Wendungen bereit hielt? Könnte man sich ohne den Kontrast des Schlechtfühlens überhaupt gut fühlen? Oder etwas metaphorischer formuliert, es könnte keine Berge geben, wenn die Täler nicht wären, das eine bedingt das andere – es sind zwei Seiten einer Medaille.

Sei aktiv, wo du planen und steuern kannst und lehn dich entspannt zurück, wenn du nicht selbst am Steuer sitzt

Früher fiel es mir sehr schwer, darauf zu vertrauen, dass alles gut ist, wie es ist. Heutzutage ermahne ich mich immer wieder, die positiven Seiten zu finden und den Nutzen für mich zu erkennen. Mein Leben ist durchaus bewegt und mir sind schon zahlreiche merkwürdige Erlebnisse widerfahren. Meine Freunde lachen schon, wenn ich anfange mit „du wirst nicht glauben, was mir letztens wieder passiert ist…“. Ich bin beispielsweise in meinem bisherigen Leben etwas mehr als 400.000 km mit eigenen Autos gefahren und dazu nochmals schätzungsweise 200.000km mit Mietwägen. Dazu kommen etwa eine knappe Million Kilometer auf den Schienen der deutschen Bahn. Über die Erlebnisse mit beiden Reisemitteln könnte ich ganze Bücher füllen. Manchmal waren es kleine Schrecksekunden, als mir zum Beispiel auf der Autobahn bei 190km/h ein Vogel in die Frontscheibe flog oder ich zwischen den Leitplanken pingpongte, weil in der Kurve die Achsfedern meines Autos brachen und das Fahrwerk ausbrach. In beiden Fällen ging es nochmal gut aus und war letztendlich nur Materialschaden. Ein anderes Mal wurde bei mir ein Knochentumor diagnostiziert und ich bangte eine Woche, bis das Ergebnis kam, dass er gutartig war.

Solche Momente sind im Nachhinein nicht mehr schockierend, wenn das Ende gut verlief. Und dennoch sind solche Anekdoten auch mahnend, denn sie machen mir bewusst, wie knapp und schmal der Grad zwischen Leben und Tod ist und wie schnell alles vorbei sein kann (und irgendwann auch sein wird). Was wäre bei meinem Unfall auf der Autobahn damals gewesen, wenn hinter mir ein anderes Fahrzeug gefahren wäre, als ich zweimal quer über beide Fahrstreifen geschleudert bin, bevor ich im Graben von einem Weidezaun abgefangen wurde? Wie hätte ich bei dem Vogeleinschlag damals reagiert, wenn ich zuvor nicht ein halbes Dutzend Fahrsicherheitstrainings absolviert hätte? Und was hätte passieren können, wenn ich, statt cool zu bleiben, das Lenkrad verrissen hätte? Was wäre gewesen, wenn der Tumor bösartig gewesen wäre?  Hätte, hätte, Fahrradkette…

Du kannst keine Fehler machen

Ich beschäftige mich heute nicht mehr so oft mit dem, was gewesen wäre wenn, sondern konzentriere mich auf das, was ist. Natürlich träume auch ich gerne oder überlege mir, wie manche Dinge heute wären, wenn mein Leben an gewissen Punkten anders verlaufen wäre. Doch dann wird mir schnell wieder klar, dass mich das nicht im Geringsten voranbringt. Ich habe auch in meinem aktuellen Bekanntenkreis Leute mit Krebs, Multipler Sklerose, sonstigen Krankheiten und Behinderungen und sonstigen Herausforderungen jeglicher Größenordnung. Das wird auch nie aufhören, weil es einfach und selbstverständlich zum Leben dazu gehört.

Murphys Law besagt, dass alles was passieren kann auch passieren wird. Nicht alles jedem, aber eben in unerkennbarer Verteilung und Häufung. Irgendwann werden auch uns, dir und mir (wieder) Dinge widerfahren, die wir im ersten Moment als ungerecht, als unfassbar und furchtbar ansehen. Dann mach dir bewusst, dass wir keine Ahnung haben, worum es in dieser Welt geht. Vielleicht ist das Leben kein reiner Zeitvertreib, sondern ein Lernprozess für ein größeres System. Wir wissen aktuell nicht, ob und wie es danach weitergeht. Ob unsere Erfahrungen in ein zentrales System fließen oder es am Ende wirklich vorbei sein wird. Da kannst du glauben, was du möchtest und was dir Hoffnung gibt. Doch bis dahin erleichtert es die Aufgabe, wenn wir mit allem, was passiert, möglichst wertfrei umgehen. Wenn du leiden willst, dann leide, wenn du kämpfen willst, dann kämpfe und wenn du abwarten willst, dann tue auch das.

Egal was du tust, jede Entscheidung (und jedes Abwarten und Aussitzen einer Entscheidung) verändert etwas in deinem Leben. Akzeptiere das einfach, nimm es hin und lebe damit. Das macht sensibel für den Wert, den das Leben hat und dass es aus vielen einzelnen Momenten besteht, die wir größtenteils selbst gestalten können. Konzentriere dich also weniger auf das, was du nicht gestalten kannst, sondern auf die restlichen 95%. Es gibt kein richtig oder falsch, denn um das zu beurteilen müsstest du zunächst alle Optionen ausleben können und dann ganz am Ende rückblickend vergleichen. Das geht nicht.

Ich wünsche dir gutes Gelingen beim Annehmen deines Lebens. 

Herzliche Grüße
Dein Markus Orschler

 

Foto: ©lassedesignen – stock.adobe.com

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